Geschäftsbericht der Annalise-Wagner-Stiftung 2010
1. Stiftungsgremien
15 Bürger der Stadt Neubrandenburg, der Stadt Neustrelitz und des Landkreises Mecklenburg-Strelitz engagierten sich im Berichtsjahr ehrenamtlich in Vorstand und Kuratorium der Annalise-Wagner-Stiftung. Beide Stiftungsgremien trafen sich zu je drei Beratungen in Neubrandenburg bzw. Neustrelitz.
Der Oberbürgermeister der Stadt Neubrandenburg, Herr Dr. Paul Krüger, bestellte am 25. März 2010 im Rahmen der Sitzung der Neubrandenburger Stadtvertretung das Kuratorium der Annalise-Wagner-Stiftung für den Zeitraum 2010 – 2013. Dem Kuratorium gehören an: Frau Marlies Gehm (Neubrandenburg), Herr Georg Huschke (Neustrelitz), Herr Dirk Kollhoff (Neustrelitz), Frau Dr. Diana Kuhk (Neubrandenburg), Herr Dr. Joachim Lübbert (Neubrandenburg), Frau Hannelore Melka (Neubrandenburg, „geborenes Mitglied“ als Leiterin Regionalbibliothek), Frau Gudrun Mohr (Neubrandenburg), Frau Susanne Schulz (Neustrelitz), Frau Gundula Tschepego (Neustrelitz), Herr Marco Zabel (Potsdam). Das Kuratorium wählte aus seiner Mitte einstimmig Herrn Dr. Joachim Lübbert zum Vorsitzenden, Frau Gundula Tschepego zur stellvertretenden Vorsitzenden sowie Frau Gudrun Mohr und Herrn Dirk Kollhoff zu Rechnungsprüfern.
Am 27. 10. 2010 entlastete das Kuratorium der Annalise-Wagner-Stiftung den Vorstand für die Amtszeit 2008 – 2010. Einstimmig wählte das Kuratorium für die Amtszeit 2010 – 2012 in den Vorstand: Frau Sabine Kunert, Frau Eleonore Wolf und Frau Heike Birkenkampf aus Neubrandenburg sowie Frau Cornelia Bugenings und Frau Christiane Weigt aus Neustrelitz. Zur Vorstandsvorsitzenden wählten die Vorstandsmitglieder Frau Sabine Kunert.
2. Erhaltung des Stiftungskapitals, satzungsgerechte Mittelverwendung
Die Annalise-Wagner-Stiftung erfüllte im Berichtsjahr ihre Verpflichtung, das Stiftungskapital zu erhalten, aus dessen Anlage Zinsen zu erzielen und diese für den Stiftungszweck einzusetzen.
Das Stiftungskapital erzielte in nicht-spekulativen Geldanlagen bei der Sparkasse Neubrandenburg-Demmin eine durchschnittliche Verzinsung von 3,5 %. Die Zinsen des Stiftungskapitals wurden eingesetzt für den Stiftungszweck. Im Jahr 2010 erhielt die Annalise-Wagner-Stiftung 2 Zustiftungen (100 Euro von SEMDOC GmbH, 150 Euro von Frau Hannelore Raemisch) sowie eine Förderung der Stadt Neustrelitz in Höhe von 100 Euro.
Am 21. 05. 2010 bescheinigte das Finanzamt Neubrandenburg, dass die Annalise-Wagner-Stiftung eine Körperschaft im Sinne § 44a Abs. 4 EStG ist. Dies gilt für Kapitalerträge, die in der Zeit vom 1.1. 2010 bis 31. 12. 2012 zufließen. Der Freistellungsbescheid des Finanzamtes Neubrandenburg vom 09. September 2010 für die Kalenderjahre 2007, 2008 und 2009 weist aus, dass die Annalise-Wagner-Stiftung wegen Förderung von Kunst und Kultur (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. (n) 5 AO nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KGST) bis 2014 von der Körperschaftsteuer und nach § 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) von der Gewerbesteuer befreit ist.
Die Rechnungsprüfer des Kuratoriums, Frau Gudrun Mohr und Herr Dirk Kollhoff, prüften am 17. 03. 2010 die ordnungsgemäße Verwaltung des Stiftungskapitals sowie die satzungsgerechte Verwendung der Zinserträge im Berichtsjahr 2009 ohne Beanstandungen.
3. Erfüllung des Stiftungszwecks
Die Annalise-Wagner-Stiftung förderte im Berichtsjahr satzungsgerecht die „weitere Aufarbeitung der mecklenburgischen Kulturgeschichte“ durch die Vergabe des 19. Annalise-Wagner-Preises und der 4. Lobenden Anerkennung für junge Autoren.
Der Annalise-Wagner-Stiftung lagen insgesamt 44 Bewerbungen und Vorschläge vor. 29 bezogen sich auf belletristische Werke, 14 auf populärwissenschaftliche bzw. wissenschaftliche Sachtexte und 1 Text auf Kinderliteratur. 16 kamen aus Neubrandenburg und dem Landkreis Mecklenburg-Strelitz, 10 aus anderen Regionen des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern und 18 aus anderen Bundesländern. Auf der Stiftungshomepage und in persönlichen Anschreiben dankte die Annalise-Wagner-Stiftung allen Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihrer Bewerbung oder ihrem Vorschlag die Idee eines regionalen Literaturpreises für Texte aus der oder über die Region Mecklenburg-Strelitz mit Leben erfüllt haben. Die 22 Publikationen und 22 Manuskripte waren Gegenstand intensiver Juryarbeit. In der Jury des Annalise-Wagner-Preises 2010 engagierten sich ehrenamtlich Vertreter des Stiftungskuratoriums und gemeinnütziger Vereine der Region: Herr Marko Klappstein (Förderstiftung für Kunst und Wissenschaft Neubrandenburg), Herr Dirk Kollhoff (Kuratorium), Frau Gudrun Mohr (Kuratorium), Frau Susanne Schulz (Hans-Fallada-Klub Neustrelitz e. V.), Frau Gundula Tschepego (Kuratorium), Herr Dr. Rolf Voß (Deutscher Museumsbund e. V.).
Jury und Kuratorium votierten einstimmig für die Vergabe des Annalise-Wagner-Preises 2010 an den dokumentarischen Roman „Blankow oder Das Verlangen nach Heimat“ der niederländischen Autorin Pauline de Bok (Weissbooks – Verlag 2009, ISBN 978-394-0888-044, übersetzt von Waltraud Hüsmert). In der Jurybegründung heißt es u. a.: „Die niederländische Journalistin, Übersetzerin und Autorin Pauline de Bok thematisiert den Heimatbegriff durch Geschichten von Menschen, denen das Vorwerk „Blankow“ freiwilliger oder unfreiwilliger Aufenthaltsort war. Ort und Personen sind anonymisiert, dennoch ist „Blankow“ erkennbar in der Region Mecklenburg-Strelitz zu verorten. ... Die Erzählerin entdeckt Erinnerungsbruchstücke und Erinnerungslücken, Legenden und Fakten und deckt mit ihnen die Brüche und Umbrüche ostdeutscher Geschichte auf. Ihr Buch erzählt davon, wie das „Verlangen nach Heimat“ und der Verlust von Heimat und Identität Lebensgeschichten prägt und Geschichte schreibt. … Auf einfühlsame Weise macht dieses Buch regionalgeschichtliche Ereignisse und Prozesse deutlich, indem es die Leser berührt und historischen Prozessen Gesichter gibt. Sensibel öffnet es mit dem ‚Blick von außen’ auch die Augen für die Schönheit der mecklenburgischen Landschaft und die Schicksale der Menschen. Mit dem Selbstfindungsprozess der Ich-Erzählerin ist dieses Buch gleichermaßen Belletristik und regionalgeschichtliche Forschung.“ Herausragende inhaltliche und literarische Qualität verleihen diesem Text nachhaltigen Wert für Erinnerungskultur und kollektives Gedächtnis in der Region Mecklenburg-Strelitz und weit darüber hinaus.
Zusätzlich zum Annalise-Wagner-Preis vergab die Annalise-Wagner-Stiftung eine „Lobende Anerkennung für junge Autoren“ an den 24jährigen Studenten Marco Lehmbeck aus Berlin für seine Erzählung „Familie im Sommer im Kahn“. Die Jury urteilte: „Der junge Autor stellt den Heimatbegriff in den Mittelpunkt der Kurzgeschichte. Während einer Reise nach Vietnam machen ihm schlaglichtartige Erinnerungen an Kindheit und Jugend bewusst, was für ihn persönlich Heimat bedeutet. Gewissermaßen ist die Ferne, die Fremde, die somit gewonnene Lebens- und Welterfahrung für ihn Anlass, über Heimat, Prägungen und Wurzeln zu reflektieren. … Zugleich findet der aus Fürstensee bei Neustrelitz stammende Autor einprägsame sprachliche Bilder für seine Heimat Mecklenburg-Strelitz.“
Am 26. Juni 2010 wurden beide regionale Literaturpreise in einer – satzungsgerecht öffentlichen und würdigen - Veranstaltung in der Kunsthalle Wittenhagen des Gutes Conow verliehen. Mehr als 120 Gäste erlebten ein außergewöhnliches „Kapitel Stiftungsgeschichte“: Zum ersten Mal ging der Annalise-Wagner-Preis an eine Autorin aus dem Ausland und die „Lobende Anerkennung für junge Autoren“ an einen Belletristik-Text.
Laudator Axel Kahrs (Leiter der Niederssächsischen Stipendiatenstätte Künstlerhof Schreyahn, Vorstandsvorsitzender der Nicolas -Born-Stiftung und Mitautor des Standardwerkes „Literarischer Führer Deutschland“) lotete in seiner Laudatio vielschichtige philosophische und poetische Dimensionen des Textes aus und betonte die Bedeutung des „fremden Blicks“: Pauline de Boks „Blankow“ sei ein „schwerer Gang durch knapp zweihundert Jahre deutscher Geschichte, festgemacht an Blankow, einem Ort im Abseits“ – und „gerade ihr Frei-Sein von Schuld-und Sühne-Gedanken macht uns als Leser bereit und fähig, ihr im Buch durch dunkle, bittere Kapitel zu folgen.“ Axel Kahrs zog das Fazit: „Wann und wo auch immer in Zukunft vom Leben auf dem Lande die Rede sein wird, … führt kein Weg an „Blankow“ vorbei. …Der Region hat Pauline de Bok so ein sprachliches Denkmal errichtet, das bleiben, das überdauern wird, und das an Erinnerungsliteratur satte Mecklenburg-Vorpommern kann sich reich beschenkt fühlen.“ In ihrem Dankwort setzte sich Pauline de Bok auseinander mit „Gedächtnis“ als einem „menschlichen Phänomen, das alles durchdringt“ und erinnerte daran, dass ein „gesamtdeutsches Kollektivgedächtnis“ das „Gedächtnis der ehemaligen DDR-Bürger“ nicht ausgrenzen dürfe. Für die „schwierige Erinnerungsarbeit“ haben die „vielen kleinen und großen Initiativen von Bürgern und ihren Organisationen … sowohl eine Vorreiterrolle als auch die Aufgabe, nicht aufzugeben – so wie Annalise Wagner das vorgelebt hat.“ Die Verleihung des Annalise-Wagner-Preises betrachte sie als „Anerkenntnis der Tatsache, dass die Vergangenheit uns Menschen immer noch bestimmt und deswegen immer wieder neu erinnert werden muss in möglichst großer Vielfalt“ und „ … dass das Gedächtnis kein Archiv, keine Festplatte ist, sondern ein lebendiges Organ, das unsere freizügige Obhut braucht, damit wir selbst als Menschen und Gesellschaft, auch europäisch und weltweit, nicht verkümmern.“
Den Annalise-Wagner-Preis 2010 und die Lobende Anerkennung 2010 übergaben gemeinsam Herr Lothar Schmidt, Stadt Neubrandenburg, Herr Andreas Grund, Bürgermeister der Stadt Neustrelitz, und Dr. Joachim Lübbert, Kuratoriumsvorsitzender der Annalise-Wagner-Stiftung. Die hohe Wertschätzung im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern für die Leistungen beider Preisträger vermittelten die sehr bewegende, persönliche Gratulation der Präsidentin des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, Frau Sylvia Bretschneider, und ein Grußwort des Ministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Henry Tesch, das von Herrn Dr. Enoch Lemcke, Abteilungsleiter Kultur, überbracht wurde. Die Stadt Neustrelitz ehrte Pauline de Bok für ihre Leistung im Sinne des Vermächtnisses der Ehrenbürgerin Annalise Wagner mit der Annalise-Wagner-Medaille.
Das Rahmenprogramm der Preisverleihung machte am Beispiel der Gut Conow GmbH aufmerksam auf ein Beispiel engagierter Kulturförderung durch Unternehmen der Region. Gestärkt mit „Gutem aus Gut Conow“ aus Gutsladen oder Gaststätte konnten die Gäste Wittenhagen als „eines von hunderten Blankows“ entdecken: Die Achteck-Kirche lud zum Verweilen ein. In der Kunsthalle führte Kuratorin Mara Maroske sachkundig durch die Ausstellung „Realissima VI“ mit zeitgenössischer Kunst aus Mecklenburg-Vorpommern. Jürgen Becker vom Verein Eiszeit- und Naturerlebnis Feldberger Seenlandschaft e.V. erläuterte auf dem „Eiszeitlehrpfad“ die „Bilderbuch-Eiszeitlandschaft“ rund um Wittenhagen. Musikalische „Farbtupfer“ setzte die junge Neustrelitzer Sängerin Bianca Fabig mit Interpretationen von vertonten Gedichten der Feldberger Autorin Sabine Lange.
Im Oktober 2010 beschloss das Kuratorium einstimmig, den Annalise-Wagner-Preis 2011 unverändert in Kriterien und Dotierung auszuschreiben. In den Ausschreibungstext wurde neu ein ausdrücklicher Hinweis auf die Möglichkeit der Vergabe einer „Lobenden Anerkennung für junge Autoren“ aufgenommen.
4. Öffentlichkeitsarbeit für den Stiftungsgedanken und den Stiftungszweck
Neben der öffentlichen Preisverleihung waren die Preisträgerlesungen von Pauline de Bok im Rahmen der Neubrandenburger Uwe-Johnson-Tage sowie von Jugendpreisträger Marco Lehmbeck innerhalb der Neustrelitzer „Vollmond-Lesungen“ und der Neubrandenburger Veranstaltungsreihe „Kultur im Stadtpark-Carree“ wichtige Mosaiksteine der Öffentlichkeitsarbeit für den Stiftungszweck und trugen bei zur Vernetzung des Engagements für Regionalkultur (Partner: Mecklenburgische Literaturgesellschaft, Regionalbibliothek Neubrandenburg, Hans-Fallada-Klub Neustrelitz, Förderstiftung für Kultur und Wissenschaft). Die Lesungen erreichten über 200 interessierte Bürger der Region direkt. Die Presse informierte regional und überregional in hervorragenden redaktionellen Beiträgen über beide Preisträger.
Öffentlichkeitsarbeit für den Stiftungsgedanken und für den Stiftungszweck leistete die Annalise-Wagner-Stiftung außerdem durch Pressearbeit (Print-, Funk-, Online-Medien) rund um Ausschreibung und Verleihung des Annalise-Wagner-Preises 2010, durch Flyer und Dauerausstellung zur Stiftungsarbeit, durch Zusammenarbeit mit Buchhandel und Bibliotheken der Region, durch Veröffentlichungen in der Schriftenreihe „Neubrandenburger Mosaik“, durch die Pflege der Stiftungs-Homepage (u. a. Links zu Region Mecklenburg-Strelitz, Kulturförderung durch Stiftungen in Mecklenburg-Vorpommern, Literaturpreise, Stiftungen, Ehrenamt) oder Online-Datenbanken. Die Stiftung nahm teil an der Kulturanalyse Mecklenburg-Vorpommern 2010. Eine Ausstellung zur Stiftungsgeschichte in der Neubrandenburger Regionalbibliothek machte im „Norddeutschen Bücherfrühling“ aufmerksam auf das Vermächtnis der Stifterin Annalise Wagner und die thematische Vielfalt der seit 1992 vergebenen Annalise-Wagner-Preise. Gemeinsam mit Buchhandlung Weiland und Regionalbibliothek wurde ein Autorentreff von Regionalautoren mit Büchermarkt unter dem Motto „Weihnachtswunsch Regionalliteratur“ realisiert. Im Rahmen des „Fritz-Reuter-Jahres 2010“ wurden Informationen zur Vergabe des Annalise-Wagner-Preises 2009 an Dr. Arnold Hückstädt in die Ausstellungen der Regionalbibliothek (u. a. im Marktplatzcenter Neubrandenburg) einbezogen und in der Festschrift der Stadt Neubrandenburg erwähnt.
Bürgerschaftliches Engagement für das Vermächtnis der Stifterin verwirklichte das Kuratorium auch im persönlichen Gedankenaustausch mit Herrn Bürgermeister Andreas Grund zur Perspektive des Karbe-Wagner-Archivs im KulturHistorischen Zentrum Neustrelitz.
Die Stadtvertretung der Stadt Neubrandenburg beschloss 2010, den Vorsitzenden des Kuratoriums der Annalise-Wagner-Stiftung, Herrn Dr. Joachim Lübbert, für sein mehr als zwanzigjähriges ehrenamtliches Engagement für den Stiftungsgedanken in Mecklenburg-Vorpommern, für den Annalise-Wagner-Preis und für die Vernetzung regionaler Kulturförderung mit einem Eintrag in das Ehrenbuch der Stadt Neubrandenburg auszuzeichnen.
Sabine Kunert, Vorsitzende des Vorstands
Dr. Joachim Lübbert, Vorsitzender des Kuratoriums