Gratulation
anlässlich der Verleihung des Annalise-Wagner-Preises
2008 an Dr. Annette Leo
am 21. Juni 2008 im Rathaus der Stadt Neustrelitz
Sehr geehrte Frau Dr. Leo,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich war hocherfreut, als ich erfahren habe, welches Werk
die Jury für den 17. Annalise-Wagner-Preis
ausgewählt hat.
Ich selbst kenne die Stadt Fürstenberg und die Mahn- und
Gedenkstätte des Konzentrationslagers Raven
sbrück recht gut. Der Landtag
Mecklenburg-Vorpommern und der Landtag Brandenburg laden jährlich
Schulklassen beider Länder zu einer gemeinsamen
Begegnungsfahrt nach Ravensbrück ein. Dort treffen die
Schülerinnen und Schüler auf Zeitzeugen, die in der Zeit
der nationalsozialistischen Diktatur im KZ Ravensbrück
eingesperrt waren. Insbesondere die Begegnung mit einer
der Überlebenden des KZ Auschwitz und Ravensbrück, Frau
Batsheva Dagan, führen die jungen Menschen intensive
Gespräche über das Leben im KZ, über die
Menschenverachtung des politischen Systems und die
unmenschlichen Bedingungen, die von den SS-Schergen und
KZ-Aufsehern noch zusätzlich geschaffen wurden. Die
Reaktion der Jugendlichen zeigt immer wieder, dass nichts
diese persönliche Erfahrung, die Begegnung mit diesen
Zeitzeugen ersetzen kann. Viele haben Ihrer Empfindung
spontan Ausdruck verliehen, und gesagt, dass sie als
andere Menschen von dieser Begegnung an ihren Heimatort
zurückkehren. Leider wird es uns nicht mehr lange möglich
sein, diese Kontakte zwischen jungen Menschen und den Überlebenden
des Holocaust herzustellen, da die Damen und Herren
inzwischen recht betagt sind. Umso wichtiger ist es, jetzt
deren Erinnerungen festzuhalten, um auch künftigen
Generationen zu vermitteln, was in dem dunkelsten Kapitel
der deutschen Geschichte geschehen ist und wie die
betroffenen Menschen damit fertig geworden sind.
Sie, Frau Dr. Leo, haben erkundet, wie Fürstenberger der
Geburtsjahrgänge 1913 bis 1933 die Zeit zwischen 1933 und
1945 erlebt und verarbeitet haben, aber auch was danach in
der Zeit der sowjetischen Besetzung in Ravensbrück
passierte. Und Sie haben dokumentiert, wie sich die
Wahrnehmungen der Zeitzeugen, die in der Nähe des
Konzentrationslagers lebten, im Ergebnis der
unterschiedlichen politischen Verhältnisse verändert
haben.
Wie wichtig solche Arbeiten sind, können wir an der
aktuellen politischen Situation in unserem land erkennen.
Seit dem 17. September 2006 gehören dem Landtag von
Mecklenburg-Vorpommern sechs Männer an, die von
„Schuldkult“ reden, wenn Demokraten an die Verbrechen
der Nationalsozialisten erinnern, der Opfer gedenken und
vor dem Wiedererstarken rechtsextremer Auffassungen und
Aktivitäten warnen.
Mit diesen sechs Feinden der Demokratie werden wir
Abgeordneten fertig – viel schlimmer ist es, dass fast
60.000 Menschen in unserem Land mit ihrer Wählerstimme
den Nazis zum Einzug ins Parlament verholfen haben! Viele
von ihnen haben sich von den Parolen der NPD blenden
lassen. Sie haben nicht durchschaut, worum es den
Rechtsextremen wirklich geht: die Leugnung der
Naziverbrechen, das Schüren von Hass gegen Ausländer und
Minderheiten, letztlich die Abschaffung der Demokratie.
Wer sich mit der Zeit des Nationalsozialismus
auseinandersetzt, wird erschreckende Parallelen erkennen.
Umso wichtiger ist es, die Demokratie als den
grundlegenden Wert unserer Gesellschaft zu schützen und
zu verteidigen!
Aus diesem Grund hat der Landtag Mecklenburg-Vorpommern
gemeinsam mit dem DGB, der Vereinigung der
Unternehmensverbände sowie der evangelischen und
katholischen Kirche die Initiative „WIR. Erfolg braucht
Vielfalt“ ins Leben gerufen.
Inzwischen ist die Kampagne „WIR.Erfolg braucht
Vielfalt“ eine Gemeinschaftsaktion mit vielen Vereinen
und demokratischen Kräften zur Festigung der Demokratie
in unserem Land. Zu den Unterstützern und aktiven
Begleitern gehören auch Unternehmen wie netto
Stavenhagen, die Deutsche Seereederei, der Ostdeutsche
Sparkassenverband oder die Schlossfestspiele in Schwerin,
die Vineta-Festspiele oder die Störtebeker-Festspiele in
Ralswiek.
Das Auftreten der rechtsextremistischen Parlamentarier und
auch das spürbar angestiegene Agitieren
rechtsextremistischer Kameradschaften in den Städten und
Gemeinden unseres Landes waren Anlass, die Initiative „WIR.Erfolg
braucht Vielfalt“ zu gründen. Wir wollen nicht, dass
diese Leute, so harmlos manche von ihnen auch scheinen mögen,
die Zeit zurückdrehen und unserem Land Schaden zufügen.
Dieses Bündnis hat das Ziel, auf vielfältige Weise für
die Werte der demokratischen Gesellschaft zu werben. Es
soll eine breite Bewegung werden, eine Bewegung für
Demokratie und Toleranz. Diesem Bündnis haben sich neben
vielen bekannten Personen auch Schüler, Auszubildende,
Arbeitnehmer und Unternehmer, aber auch Menschen, die
zurzeit keine Arbeit haben und Rentner angeschlossen.
Jeder kann sich auf seine Weise einbringen, jeder wird
gebraucht. Auch Sie, deshalb machen auch Sie mit!
Durch die Verleihung des Annalise-Wagner-Preises
an Frau Dr. Annette Leo hat die Annalise-Wagner-Stiftung
in ihrem Wirkungskreis und mit ihren Möglichkeiten einen
wichtigen Beitrag zur Festigung der Demokratie in unserem
Land geleistet.
Dafür danke ich ganz herzlich.
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