Annalise-Wagner-Preisträger 2007

Laudatio auf die Annalise-Wagner-Preisträgerin 2007


Sigrid Keler, Finanzministerin des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern: Laudatio

Sehr geehrter Herr Poland, sehr geehrter Herr Dr. Wieland, sehr geehrter Herr Butzki, liebe Frau Prof. Bock, meine Damen und Herren,

wenn die älteste Kulturstiftung unseres noch jungen Bundeslandes zur 16. Verleihung ihres Annalise-Wagner-Preises ruft, dann ist es vor allem die gemeinsame Leidenschaft für Regional- und Kulturgeschichte, die uns an diesem idyllischen Ort zusammenführt. Aber was macht die Faszination aus, die viele von uns bei der Beschäftigung mit der Vergangenheit verspüren? - Wahrscheinlich ist es die Ahnung, dass, was immer wir sind, wir geworden sind und was immer wir tun, wir vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen und Erinnerungen tun. Denn alles Gegenwärtige ist ohne das Wissen von der Vergangenheit gar nicht verständlich.

Doch wie wird uns eigentlich bewusst, dass die Zeit vergeht? Gewiss nicht, weil sich so etwas Abstraktes wie eine Jahreszahl ändert. Viel eher sehen wir die Zeit vergehen, weil sich der Raum um uns verändert: Hier wird ein neues Haus gebaut, dort ein altes abgerissen. Hier werden Bäume gefällt und dort ein neuer Park angelegt. In diesem Sinne ist Kulturgeschichte immer eng verbunden mit einer Kulturlandschaft. In ihr können wir den Wandel der Zeit ganz persönlich und sinnlich erleben.

Die Kulturlandschaft Mecklenburgs und Vorpommerns ist im hohen Maße von der landwirtschaftlichen Gutswirtschaft bis 1945 geprägt. Und im Zentrum einer solchen Gutswirtschaft stand das Herrenhaus, welches bis heute das Bild und die Anlage vieler Dörfer in unserem Land prägt - selbst dort, wo dieses herrschaftliche Wohnhaus abgerissen wurde. Die Beschäftigung mit diesen Häusern führt also zum Kern unserer regionalen Kulturgeschichte.

Vor diesem Hintergrund ist es nur verständlich, dass die Jury Frau Prof. Bock für ihr Manuskript „Herrschaftliche Wohnhäuser auf den Gütern und Domänen in Mecklenburg-Strelitz“ mit dem Annalise-Wagner-Preis ehrt. Ich hatte bereits die Möglichkeit, einige Blicke in die erste Hälfte des 1000-seitigen Manuskriptes werfen zu können. Und ich kann Ihnen versichern, der Einruck ist überwältigend: Zu jedem Gutshaus – es sind insgesamt 208 in diesem Werk dokumentiert – finden sich ausführliche Informationen zur Geschichte, zur Lage, zur Baugeschichte, zum Baubestand, zum Park und zur Hofanlage. Alle Beiträge sind mit zahlreichen Fotografien dokumentiert, hinzu kommen Kartenausschnitte, Grundrisse und Lagepläne. Das dreibändige Werk wird voraussichtlich im Herbst erscheinen - ich kann Ihnen die Lektüre nur wärmstens ans Herz legen: Es animiert den Laien förmlich dazu, einmal selbst auf Entdeckungstour durch unsere Dörfer zu gehen und sich nach den alten Gutshäusern umzusehen. Aber besonders für Fachleute, muss dieses Werk von unschätzbarem Wert sein.

Die vorliegende Arbeit von Frau Prof. Bock und auch die besondere Ehrung, die die Autorin heute erhält, verstehe ich auch als offensichtliche Anzeichen dafür, dass in unserem Land die Wertschätzung für diese Herrenhäuser und die sie umgebende ländliche Kulturlandschaft zunimmt. Dies ist auch dringend notwendig, denn die Zahl der unsanierten und baufälligen Häuser ist noch immer hoch. Dabei ist das fehlende Geld nicht unser größtes Problem. Vor allem mangelt es an möglichen Nutzern mit guten Idee und Konzepten. Selbst wenn wir ausreichend Geld zur Verfügung hätten, um alle Objekte zu sanieren, wäre noch nicht viel gewonnen: Dann hätten wir sanierte Investitionsruinen, die ohne Eigenleben vor einem erneuten schleichenden Verfall stehen würden. Es ist also unsere große Aufgabe, nicht sterile Denkmäler entstehen zu lassen, sondern den Gebäuden Gegenwart und Leben einzuhauchen, um so ihren langfristigen Bestand zu sichern. Ich bin überzeugt, dass es auch mit Hilfe dieses beeindruckenden Kataloges zu den herrschaftlichen Häusern in Mecklenburg-Strelitz gelingt, das eine oder andere Objekt dem Vergessen zu entreißen.

Meine Damen und Herren,
Frau Prof. Bock habe ich in meiner Funktion als Finanzministerin als eine fundierte Kennerin der Architektur und Denkmalpflege kennen und schätzen gelernt. Durch die Abteilung Bau und Liegenschaften, die bis zur Regierungsneubildung im letzten Jahr zum Finanzministerium gehörte, hatten wir ein gemeinsames Tätigkeitsfeld. Aber auch an eine sehr konkrete Zusammenarbeit kann ich mich gut erinnern: Im Gebäude des Finanzamtes Schwerin konnten wir vor drei Jahren die Architekturausstellung „Schinkel und seine Schüler“ ausrichten, an der Frau Prof. Bock maßgeblich mitgearbeitet hat. Überhaupt genießt die Wahl-Schwerinerin in der Landeshauptstadt einen ausgezeichneten Ruf: Spätestens seit dem Erscheinen ihres Standardwerks zur Schweriner Altstadt ist sie eine gern befragte Expertin für alle baugeschichtlichen Fragen. Und sie ergreift aktiv Partei: So lehnt sie es ab, ihre beliebten baugeschichtlichen Vorträge weiterhin im Lichthof des Gebäudes der Schweriner Industrie- und Handelskammer durchzuführen, weil die IHK einen sehr umstrittenen und teuren Büroneubau gegenüber dem Schweriner Schloss durchführen will.

Liebe Frau Prof. Bock,
besonders berührt hat mich die Widmung Ihres Buches. Erlauben Sie mir, diese zu zitieren: „Gewidmet all denen, die mit den Gütern und Domänen ihre Heimat verloren und denen, die nach dem Verlust ihrer Heimat dort ein erstes Unterkommen fanden.“ Sie zeigen uns mit diesen Worten, dass Gebäude mit einer Vergangenheit nicht nur beliebige Häuser mit schönen Mauern, Fenstern oder Türen sind. Sondern dass mit ihnen immer auch die Schicksale der Menschen verbunden sind, die dort gelebt, geliebt und gelitten haben. Dieses Wissen zeichnet ihre wissenschaftliche Arbeit und ihr öffentliches Engagement aus. Dafür sei Ihnen herzlich gedankt!

Frau Prof. Bock, ich gratuliere Ihnen zur Verleihung des Annalise-Wagner-Preises!

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