Annalise-Wagner-Preis 2014 für den Roman „Was gewesen wäre“ von Gregor Sander, Annalise-Wagner-Jugendpreis für Projektdokumentation „Rom heißt Mensch“ der Europaschule Rövershagen

Die Annalise-Wagner-Stiftung kann dank Förderung durch Spenden von Sparkasse Neubrandenburg-Demmin, new enerday GmbH und Dr. Hans-Jürgen Spieß in diesem Jahr ihren Literaturpreis verleihen an ein außergewöhnliches belletristisches Werk und ihren Jugendpreis an eine Projektdokumentation zu einem hochaktuellen Thema.

Der Roman „Was gewesen wäre“ von Gregor Sander (Wallstein-Verlag 2014, ISBN 978-3-8353-1359-0) wird mit dem 23. Annalise-Wagner-Preis ausgezeichnet. Diesen Literaturpreis vergibt die Annalise-Wagner-Stiftung an Texte mit regionalem Bezug, die auf besondere Weise beitragen zu Erinnerungskultur und kollektivem Gedächtnis.

Der Roman schlägt einen Bogen von der Vorwendezeit in der DDR bis in die Gegenwart, die Handlung spielt in Neubrandenburg, Berlin und Budapest. Die Hauptfigur Astrid begegnet dem Leser als siebzehnjährige Neubrandenburgerin Ende der achtziger Jahre auf einem Sommerfest, in dem sie sich in Julius aus Berlin verliebt und als vierundvierzigjährige Berlinerin, die im Budapest-Urlaub wieder auf ihre Jugendliebe trifft.

In ineinandergreifenden Zeitebenen und aus verschiedenen Perspektiven erzählt Gregor Sander von dem „was war“, von dem „was ist“ und davon, wie Vergangenes in der Gegenwart fortwirkt: von einer unerfüllten Jugendliebe, von einer verratenen Mädchenfreundschaft, von widersprüchlichen Entscheidungen auf der Suche nach dem eigenen Weg. Es geht um Brüche und Kontinuitäten in Gefühlen und Lebenswegen – und um eine Umbruchzeit, die Entscheidungen, Mentalität und Biografien prägte und bis heute prägt.

Scheinbar unscheinbare Erinnerungen, sensibel erfasste Atmosphäre von Orten und Zeiten, wie beiläufig erwähnte historische Ereignisse, vor allem aber die feinfühlig hinterfragten Brüche in Beziehungen, Freundschaften, Biografien der literarischen Figuren widerspiegeln ganz subtil ein Stück Zeitgeschichte und stellen DDR-Zeit, friedliche Revolution und Gegenwart in Bezug zueinander.

Liebes- und Lebensgeschichten von Haupt- und Nebenfiguren fragen ohne „erhobenen historischen Zeigefinger“ nach „Vergangenem, das nicht vergangen ist“ (W. Faulkner / C. Wolf). Hinter dem erzählten Text steht – durch den Titel ausgelöst - die unausgesprochene Frage nach dem was hätte sein können, „was gewesen wäre“ wenn … Und das Nachdenken über persönliche und historische Entscheidungsspielräume der literarischen Figuren erweitert sich für Leser zu „Fragen mit Widerhaken“ an Kontinuitäten und Brüche in eigenen Gefühlen, Entscheidungen, Lebenswegen.

Der literarische Text beeindruckt durch seine sprachliche Präzision, Authentizität, plastisches Erzählen und eine besondere „schwebende Spannung“, die unter anderem zwischen verschiedenen Zeitebenen, zwischen wechselnden Erzählperspektiven, komplex angelegten und skizzierten Figuren, absehbarer Entwicklung und dem Spiel des Zufalls entsteht.

Den besonderen Beitrag dieser leisen Liebesgeschichte zu Erinnerungskultur und kollektivem Gedächtnis sieht die Jury in ihrem Potential, als literarisches Medium zu wirken, auf ausgesprochen subtile Weise literarisch verdichtete und fiktionalisierte Erfahrungen und Erinnerungen weiterzugeben, Reflexion und Kommunikation anzuregen. Den regionalen Bezug stellt der „literarische Ort Neubrandenburg in den achtziger Jahren“ her, der für Mentalität und Entwicklung der literarischen Figuren Bedeutung hat.


Der mehrfach ausgezeichnete Berliner Autor Gregor Sander  freut sich „als gebürtiger Mecklenburger … über die Wertschätzung meiner Arbeit am Handlungsort meines Romans“ (G. Sander).

Mehr Informationen:
Gregor Sander, Homepage
Gregor Sander, Wallstein Verlag


Mit dem 8. Annalise-Wagner-Jugendpreis möchte die Annalise-Wagner-Stiftung aufmerksam machen auf die Projektdokumentation „Rom heißt Mensch“ der Projektgruppe „Kriegsgräber“ an der Europaschule Rövershagen. Der inhaltliche Schwerpunkt der Publikation liegt auf Informationen zur Geschichte der Sinti und Roma in Mecklenburg, überraschend viele Fakten beleuchten die Thematik auch in der Region Mecklenburg-Strelitz.

Die Schüler erfassen und dokumentieren die Kontinuität rassistischer Verfolgung und Bedrohung von Sinti und Roma vom 16. bis ins 20. Jahrhundert in z. T. aufwendig zu recherchierenden Daten und Fakten, machen schwer zu findende Quellen und Dokumente zugänglich und vermitteln in individuellen Lebensgeschichten den historischen Zugang zu einem hochaktuellen Thema. Vor allem überzeugt das Anliegen, historisches Lernen aus regionaler Geschichte zu verbinden mit Fragen nach Menschenrechten und Minderheitenrechten, nach demokratischen Werten und Toleranz, nach sozialen Handlungskompetenzen und dem Umgang mit Vorurteilen sowie Formen des alltäglichen Rassismus.

Mehr Informationen:
Europaschule Rövershagen, Projektgruppe „Kriegsgräber“

Annalise-Wagner-Preis und Annalise-Wagner-Jugendpreis werden am 14. Juni 2014 um 16 Uhr in der Johanniskirche in Neubrandenburg öffentlich verliehen.

Die Laudatio auf den Roman „Was gewesen wäre“ von Gregor Sander hält der Journalist Hans-Jürgen Walberg.

Gäste sind herzlich willkommen, der Eintritt ist frei.

Mehr Informationen:
Geschäftsstelle Annalise-Wagner-Stiftung,
Heike Birkenkampf,
0395 /5551333,
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