30. Annalise-Wagner-Preis

NiemannBeständigerWandel_Cover © Hinstorff Verlag Rostock Prof. Dr. Mario Niemann © IT- und Medienzentrum der Universität Rostock
Niemann Beständiger Wandel
Cover
© Hinstorff Verlag Rostock
Prof. Dr. Mario Niemann
© IT- und Medienzentrum
der Universität Rostock

 

Prof. Dr. Mario Niemann

Beständiger Wandel:
Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Mecklenburg
von 1900 bis 2000

Rostock : Hinstorff Verlag, 2020

800 Seiten : zahlreiche Tabellen und historische Fotografien

Enth. u.a. Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur S. 747-786,
Verzeichnis der im Text erwähnten mecklenburgischen Dörfer S. 791-800

 

Die Vergabe des 30. Annalise-Wagner-Preis wurde unterstützt
durch einen Zuschuss des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte
und durch den Förderverein der Regionalbibliothek e.V.
auf der Grundlage einer Benefiz-Lesung von Silvio Witt und Friederike Witthuhn.
Die Annalise-Wagner-Stiftung dankt herzlich!

 

Die Annalise-Wagner-Stiftung aus Neubrandenburg vergibt – „trotz des 2. Jahres mit Corona“ – im Jahr 2021 zum 30. Mal den „Annalise-Wagner-Preis“ Mitten in der dritten Welle der Corona-Pandemie diskutierte die Jury über 76 eingereichte Bewerbungen und Vorschläge. Zum Geburtstag der Stifterin Annalise Wagner (1903-1986) am 19. Juni stand fest:

Der 30. Annalise-Wagner-Preis geht an die agrar- und zeitgeschichtliche Studie „Beständiger Wandel: Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Mecklenburg von 1900 bis 2000“ von Prof. Dr. Mario Niemann. Die – im doppelten Sinne gewichtige - Publikation erschien 2020 im traditionsreichen, 190jährigen Rostocker Hinstorff Verlag und liegt druckfrisch in der 2. Auflage vor (ISBN 9783356023695)

Als „erste Gesamtdarstellung des ländlichen Lebens in Mecklenburg im 20. Jahrhundert“ ist dieses agrarhistorische Sachbuch ein Meilenstein in der Erforschung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des mecklenburgischen Landesteils des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern – und zugleich verspricht die erzählerische Textqualität jedem Interessierten einen „fesselnden Lesegenuss“[1]..

Erstmals stehen die Territorien des historischen Mecklenburg-Schwerin und des historischen Mecklenburg-Strelitz gemeinsam im Fokus einer zeitgeschichtlichen agrarhistorischen Untersuchung, werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der mecklenburgischen Regionen erhellt.

Statistische Angaben beziehen entsprechend der staatlich-administrativen Zuordnungen auch weitere Gebiete ein. Die Anzahl der benannten Orte aus dem Gebiet Mecklenburg-Strelitz entspricht dem territorialen Anteil dieser Region, die Vielfalt und Aussagekraft der ausgewählten „strelitzschen Quellen“ ist bemerkenswert.

Dieses agrarhistorische Sachbuch ist ein „beeindruckender Beitrag zum kollektiven Gedächtnis der Region“ und gibt nachhaltig „Impulse für demokratische Erinnerungskultur und gesellschaftliche Kommunikation“, heißt es in der Begründung der Jury zur Preisvergabe.

Im „historischen Weitwinkel“ entfaltet sich ein klar ausgeleuchtetes Bild der Strukturen und grundlegenden Veränderungen des ländlichen Raumes und der ländlichen Gesellschaft in Mecklenburg in diesen 100 Jahren – mit vielfältigen Bezügen zu Alltags- oder Kulturgeschichte, zu Soziologie oder Sozialökonomie, zu politischen und gesellschaftlichen Prozessen und Brüchen.

Zu den agrarhistorischen Zäsuren zwischen den Jahrhundertwenden von 1900 und 2000 gehören „der Erste Weltkrieg, die Novemberrevolution, Nachkriegszeit und Inflation, die Agrarkrise der Weimarer Republik, die nationalsozialistische Herrschaft und der Zweite Weltkrieg, die Bodenreform 1945, die Kollektivierung in den Jahren 1952 bis 1960, die Industrialisierung der Landwirtschaft und die Trennung von Tier- und Pflanzenproduktion in den siebziger Jahren und schließlich der Transformationsprozess ab 1990.“ (Niemann, S. 9)

Im „Zoom“ auf die konkreten Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Menschen werden die gravierenden Umbrüche in Landwirtschaft und ländlichem Leben zwischen den Jahrhundertwenden „in handfestem Alltag widergespiegelt“[2]. Viele „sprechende Quellen“ – darunter auch in plattdeutscher Sprache – machen mecklenburgische Dorf- und Lebensgeschichte(n) dieser Zeit lebendig und spannend, „Geschichte wird so transparent, spür- und greifbar“, betont die Jury. 

Zu diesen Quellen gehören u. a. Ortschroniken, Dokumente, Lebenserinnerungen oder Zeitzeugenberichte – und die „Original-Töne“ in plattdeutscher Sprache, erinnern daran, wie weitreichend sich ländliche Lebenswelten im 20. Jahrhundert auch sprachlich wandelten.

 

„Der Autor führt durch Höhen und Tiefen der Landesgeschichte und – darin eingebettet – ortskonkreter Regionalgeschichte“[3]. Mit spürbarer Wertschätzung für Landarbeit und ländliches Leben eröffnet er innerhalb jedes Zeitabschnitts ganz unterschiedliche Blickwinkel, um Widersprüchlichkeit, Komplexität und Facettenreichtum der agrargeschichtlichen Entwicklungen und Brüche deutlich zu machen und „Vereinseitigungen und Verkürzungen entgegenzuwirken“[4].

Den Text ergänzen zahlreiche aussagekräftige Statistiken, erstmals veröffentlichte historische Fotografien, der wissenschaftliche Apparat, das umfangreiche Literaturverzeichnis und ein hilfreiches Ortsregister.

 

Fasziniert hat die Jury, dass dieses 800 Seiten starke agrarhistorische Sachbuch einen so „fesselnden Lesegenuss“ bietet. Wer mit Neugier „hineinliest“, kann sich dem erzählerischen „Sog“ nicht entziehen. Wissenschaftliche Souveränität und sprachliche Stilsicherheit des Autors verbinden sich – ganz in Annalise Wagners Sinne – mit seinem ausdrücklichen Anliegen, „mit diesem Buch eine breite Leserschaft anzusprechen“[5]

Leser spüren "zwischen den Zeilen“, wie wichtig es dem Autor ist, dass man versteht: Das geht mich an, mit diesem Wissen lässt sich nachdenken z. B. über das "Gewordensein dieser Orte“[6] (Jury), über Zeugnisse des 20. Jahrhunderts in der mecklenburgischen Kulturlandschaft, über Fragen nach Heimat und Identität im ländlichen Mecklenburg, über den weiteren ständigen Wandel in Landwirtschaft und ländlichem Leben in Mecklenburg … und dessen Herausforderungen in unserer Zeit.

Wer sich für die historische, heutige und künftige Entwicklung des ländlichen Raumes in der Region und in Mecklenburg-Vorpommern interessiert und engagiert, findet in diesem Buch eine solide wissenschaftliche Ausgangsbasis „in Sachen 20. Jahrhundert“ und vielfältige Impulse.

Voller Anregungen steckt es u. a. für Kommunen und Gemeinden, zivilgesellschaftliches Engagement in Vereinen, Stiftungen oder Bürgerinitiativen „auf dem Lande“, Ortschronisten, Organisationen und Initiativen der Landwirte, die ländliche Kreativwirtschaft – und nicht zuletzt: die wissenschaftliche Lehre und Forschung an den Universitäten und Hochschulen des Bundeslandes in Fächern wie z.B. Geschichte, Agrarwirtschaft, Lebensmitteltechnologie, Landschafts- und Umweltwissenschaften.

Spannend ist dieses agrarhistorische Sachbuch auch für historisch-politische Bildungsarbeit im landwirtschaftlich geprägten Mecklenburg-Vorpommern: „Durch die sachlich differenzierte Darstellung wird eine kritische Reflexion historischer Zusammenhänge ermöglicht, welche einseitigen und simplifizierenden Geschichtsdeutungen entgegenwirkt und auch verdeutlicht, wohin demokratiefeindliche Strukturen in der Geschichte geführt haben und auch weiterhin führen können.“[7]

Der renommierte Zeit- und Agrarhistoriker Prof. Dr. Mario Niemann engagierte sich für dieses publizistische „Herzens-Projekt“ mit einer Leidenschaft, die auf wissenschaftlicher Berufung fußt, weit darüber hinausgeht – und auch ganz persönliche Hintergründe hat.

„Ich bin Mecklenburger und fühle mich dem ländlichen Mecklenburg sehr verbunden“, schreibt er im Vorwort der Publikation, und er widmet sie seinen Großeltern, „mecklenburgischen Bauern von echtem Schrot und Korn“. Zu seinen Vorfahren gehören alteingesessene mecklenburgische Bauernfamilien, er absolvierte eine landwirtschaftliche Berufsausbildung, studierte an der Rostocker Universität Geschichte und leitet heute den Arbeitsbereich Moderne deutsche Agrargeschichte am Historischen Institut der Universität Rostock.

 

Prof. Dr. Mario Niemann

„Über die Auszeichnung meines Buches „Beständiger Wandel. Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Mecklenburg von 1900 bis 2000“ mit dem Annalise-Wagner-Preis freue ich mich sehr. Bei der Arbeit an dem Buch war es mein Bestreben, die Entwicklungen im ländlichen Raum sowohl für Mecklenburg-Schwerin als auch für Mecklenburg-Strelitz umfassend für das komplette 20. Jahrhundert darzustellen. Der Preis ist eine schöne und sehr willkommene Würdigung meiner mehrjährigen intensiven Forschungsarbeit. Er trägt wesentlich dazu bei, ein weiteres Ziel, das ich mir gesetzt habe, zu erreichen: Ich möchte mit dem Buch eine breite Leserschaft ansprechen.“

 

Kurzbiographie (Stand 06/ 2021)

Geboren 1971 in Parchim, aufgewachsen und wohnhaft in Grebbin, Kreis Parchim; 1988-1991 Berufsausbildung zum Facharbeiter für Pflanzenproduktion mit Abitur; 1991-1996 Magisterstudium der Geschichtswissenschaften (Hauptfach) sowie der Ur- und Frühgeschichte und der Politischen Wissenschaft (Nebenfächer) an der Universität Rostock, Abschluss als Magister Artium; 1997-1999 Promotionsstudium an der Universität Rostock als Stipendiat der Landesgraduiertenförderung des Landes Mecklenburg-Vorpommern; 1999 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Rostock mit einer Dissertation zum Thema: Mecklenburgischer Großgrundbesitz im Dritten Reich (1933-1945). Untersuchungen zur sozialen Struktur, wirtschaftlichen Stellung und politischen Rolle; 1999-2005 Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Zeitgeschichte des Historischen Instituts der Universität Rostock; 2006 Habilitation zum Dr. phil. habil. für das Lehrgebiet „Neueste und Zeitgeschichte“, Thema der Habilitationsschrift: Die Sekretäre der SED-Bezirksleitungen 1952 bis 1989; seit 2006 Leiter des Arbeitsbereichs Moderne deutsche Agrargeschichte am Historischen Institut der Universität Rostock; seit 2012 außerplanmäßiger Professor für das Fachgebiet Zeitgeschichte und Agrargeschichte.

 

Jurybegründung (Download als PDF)

Presseinformation, lang (Download als PDF)

Presseinformation, kurz (Download als PDF)

Presse (Auswahl)

30. Annalise-Wagner-Preis vergeben . – In: Stadtanzeiger : Amtsblatt der Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg (2021-06-30) Nr. 6. - S. 2 (PDF)

Wagner-Preis für „Meilenstein“ zur Agrargeschichte. – In: Nordkurier : Mecklenburg-Vorpommern (2021-06-16). – S. 2 (PDF)

Susanne Schulz: Lob und Blumen für ein wahres Herzensprojekt. – In: Nordkurier : Nordkurier am Wochenende (2021-10-02/03). – S. 17 (PDF)

 

Zwischen dem 30. Preisträger-Text und dem Nachdenken über den 35. Todestag der Stifterin spinnt sich ein so überraschender wie berührender „Faden der Erinnerung“ an die gravierenden gesellschaftlichen Widersprüche und Umbrüche des 20. Jahrhunderts. Aus ganz verschiedenen Blickwinkeln erzählen davon sowohl die mecklenburgische Agrargeschichte des 20. Jahrhunderts – als auch Annalise Wagners gebrochene Biografie. Vor 35 Jahren ging in das Testament Annalise Wagners ihre weitsichtige, außergewöhnliche Idee eines regionalen, privat angestifteten Literaturpreises ein. Vor 30 Jahren errichte das Neubrandenburger Stadtparlament die Annalise-Wagner-Stiftung als Treuhandstiftung der Stadt Neubrandenburg.

Susanne Schulz: Meilensteine aus 30 Stiftungs-Jahren. – In: Nordkurier : Neubrandenburger Zeitung (2021-09-29). – S. 18 (PDF)

 

Preisverleihung

Die öffentliche Verleihung des 30. Annalise-Wagner-Preises fand statt am 30. September 2021, am Vorabend des europäischem Tages der Stiftungen,  in der Hochschule Neubrandenburg.

EINLADUNG (PDF)     ANMELDUNG (PDF)

Die Hochschule Neubrandenburg

wurde im Jahr 2021 gleichfalls „30 Jahre jung“. Sie ist in der Region und in ihrem Profil eine einzigartige wissenschaftliche Einrichtung mit sozial-, erziehungs-, gesundheits- und pflegewissenschaftlichen Fachrichtungen, Agrarwirtschaft, Lebensmitteltechnologie, Geoinformatik, Geodäsie, Messtechnik, Naturschutz, Landschaftsarchitektur und Landnutzungsplanung. Ihre Angebote für Studium, Weiterbildung und Forschung legen Schwerpunkte u. a. auf die Themen Gesundheit und Ernährung und Nachhaltiger Strukturwandel und Umbau von ländlichen Regionen. Ausgezeichnet als "innovative Hochschule" ist sie „Partnerin der Region, wenn es um Bildung, Weiterbildung sowie um Regional- und Kommunalentwicklung geht“. Mit dem Projekt HiRegion fördert sie Wissenstransfer zwischen Region und Hochschule, will „gemeinsam mit regionalen Partnern … Veränderungen gestalten, Innovationen in Wirtschaft und Gesellschaft befördern, Motor einer nachhaltigen, eigenständigen, selbstbewussten Entwicklung der Region sein“.

Gemäß den gesetzlichen Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Herbst 2021 war die Zahl der Plätze begrenzt, 61 Gäste konnten dabei sein. Zu ihnen gehörten u. a. Herr Oberbürgermeister Silvio Witt, Oberbürgermeister der Stadt Neubrandenburg, Herr Bürgermeister Andreas Grund, Bürgermeister der Stadt Neustrelitz, Herr Thomas Müller, 2.Stellvertreter des Landrats des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte, Herr Prof. Dr. rer. nat. habil. Gerd Teschke, Rektor der Hochschule Neubrandenburg, Herr Henning Baden, Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt und Frau Eva Maria Buchholz, Verlagsleiterin des Hinstorff Verlages.

Eine große Ehre waren Preisträger Prof. Dr. Mario Niemann und Annalise-Wagner-Stiftung
Grußworte von

 

Die Laudatio für Herrn Prof. Dr. Mario Niemann übernahm Herr Prof. Dr. Ernst Münch.

Herr Prof. Dr. phil. habil. Ernst Münch ist Professor em. für Geschichte des Mittelalters und Mecklenburgische Landesgeschichte der Universität Rostock. Er ist ein Doyen der wissenschaftlichen Forschung zur Mecklenburgischen Landesgeschichte, hat deren Entwicklung in herausragender Weise geprägt und dabei einen seiner Forschungsschwerpunkte auf mecklenburgische Agrargeschichte gelegt. Seit 2011 ist Prof. Dr. Münch Vorsitzender der Historischen Kommission für Mecklenburg, die als gemeinnütziger Verein die Erforschung der mecklenburgischen Landesgeschichte fördert.

Prof. Dr. Ernst Münch:
LAUDATIO (PDF)

Prof. Dr. Mario Niemann:
DANKWORT (PDF)

Musikalisch begleitete die Preisverleihung Herr Marcos Atala.

Als Schüler freute sich Herr Atala vor 30 Jahren über die Aufführung einer eigenen Komposition durch die Neubrandenburger Philharmonie und spielt heute dort die „Erste Violine“. Außergewöhnlich ist sein Bürgerengagement in der Pandemiezeit: Im Corona-Lockdown gehörte er zu den Mitbegründern des Netzwerkes NB HILFT 2.0, organisierte Hilfe von Bürger zu Bürger, half selbstlos. Als die Kultur stillstand, war als Helfer im Klinikum im Einsatz und spielt dort bis heute im Ehrenamt Musik für kranke Menschen. Dabei erklingen auch die Melodien, die der Verleihung des 30. Annalise-Wagner-Preises ihre feierliche Atmosphäre gaben.

 

 

[1] Begründung der Jury zur Vergabe des 30. Annalise-Wagner-Preises

[2] Begründung der Jury zur Vergabe des 30. Annalise-Wagner-Preises

[3] Begründung der Jury zur Vergabe des 30. Annalise-Wagner-Preises

[4] Begründung der Jury zur Vergabe des 30. Annalise-Wagner-Preises

[5] Mario Niemann, www.annalise-wagner-stiftung.de

[6] Begründung der Jury zur Vergabe des 30. Annalise-Wagner-Preises

[7] Begründung der Jury zur Vergabe des 30. Annalise-Wagner-Preises