Annalise-Wagner-Preis 2015 für die zeitgeschichtliche Studie „Lager in Neubrandenburg-Fünfeichen 1939 – 1948“ von Dr. Natalja Jeske

Die Annalise-Wagner-Stiftung aus Neubrandenburg vergibt zum 24. Mal den mit 2.500 Euro dotierten Annalise-Wagner-Preis an „Texte mit besonderer Bedeutung für das Gedächtnis der Region“ (A. Wagner 1903-1986). In diesem Jahr geht die Auszeichnung an die zeitgeschichtliche Studie „Lager in Neubrandenburg-Fünfeichen 1939 - 1948 : Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht, Repatriierungslager, sowjetisches Speziallager“ von Dr. Natalja Jeske aus Rostock.

In Neubrandenburg-Fünfeichen gab es von 1939 bis 1945 drei Kriegsgefangenenlager (Stalag II A, Oflag II E, Oflag 67) mit mehr als 120.000 Gefangenen aus 11 Ländern. Tausende sowjetische Kriegsgefangene wurden hier Opfer kriegs- und völkerrechtswidrigen NS-Terrors. Nach Kriegsende warteten im sowjetischen Repatriierungslager Nr. 165 über 20.000 ehemalige Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter auf Rückkehr in die Heimat. 1945 bis 1948 waren im Speziallager Nr. 9 des sowjetischen Geheimdienstes NKWD etwa 15.000 Deutsche und hunderte Sowjetbürger interniert.

Daran erinnert seit 1993 die Mahn- und Gedenkstätte Fünfeichen. Erinnerungstafeln an Massengräbern geben ab 1999 fast 4.900 NKWD-Opfern und ab Mai 2015 über 5.500 Opfern der Kriegsgefangenenlager, darunter über 5.100 sowjetischen Kriegsgefangenen, einen Namen.



Dr. Natalja Jeske erfasst in ihrer zeitgeschichtlichen Studie zum ersten Mal die komplexe Geschichte aller fünf Lager in Neubrandenburg-Fünfeichen im Zeitraum 1939 bis 1948 in einer Gesamtperspektive. Eingebunden in den historischen Kontext, klar abgegrenzt und ausgewogen stellt sie die Geschichte der drei Kriegsgefangenenlager, des Repatriierungslagers und des sowjetischen Speziallagers chronologisch dar.

Dieser Ansatz erweitert und vertieft den Blick auf den „mehrschichtigen Erinnerungsort“, zeichnet ein differenziertes Bild vom „historischen Ort Neubrandenburg-Fünfeichen als Standort von fünf unterschiedlichen Lagern in zwei verschiedenen Diktaturen“ des 20. Jahrhunderts und trägt dazu bei, „sich der internationalen Dimension des Ortes bewusst zu werden“ (N. Jeske).

Gleichzeitig präzisiert die Studie die lebendige Erinnerung an diesen historischen Ort mit einer Fülle von neuen Forschungsergebnissen. Diese korrigieren und vervollständigen Zahlenangaben und Informationen zur Geschichte der Lager grundlegend, verleihen bisher wenig bekannten Opfergruppen Gesicht und belegen insbesondere das Martyrium der sowjetischen Kriegsgefangenen im Stalag II A Neubrandenburg-Fünfeichen.

Der Autorin gelingt es, historische Zusammenhänge, Fakten und Zeitzeugenberichte so klar strukturiert und informativ, sachlich und unaufgeregt, lebendig und verständlich zu vermitteln, dass die Publikation sowohl wissenschaftlichem Informationsbedarf, vor allem aber breit gefächertem Interesse an historisch-politischer Bildung gerecht wird.

Die Publikation (ISBN 978-3-9816439-0-9) wurde herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, der Landesbeauftragten für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR sowie der Arbeitsgemeinschaft Fünfeichen und erschien als erster Band der Reihe „Erinnerungsorte in Mecklenburg-Vorpommern“.

Sie hat das Potential, weit über die Region hinaus neue Impulse zu geben für Erinnerungskultur, kollektives Gedächtnis und historisches Lernen an mehrschichtigen Erinnerungsorten der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Porträt Natalja Jeske

Dr. Natalja Jeske wurde 1962 in Tomsk geboren, lebt seit 1990 in Rostock und forscht zu zeitgeschichtlichen Themen, darunter zur Geschichte der Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht, der NS-Konzentrationslager und der sowjetischen Speziallager in Deutschland.

Ihre Publikation „Lager in Neubrandenburg-Fünfeichen 1939-1948“ entstand im Ergebnis zweijähriger Forschungsarbeit, die gefördert wurde durch die Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur, die Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, die Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Politische Memoriale Mecklenburg-Vorpommern e.V., Arbeitsgemeinschaft Fünfeichen e.V. und die Stadt Neubrandenburg.


Vorstand und Kuratorium laden herzlich ein zur öffentlichen Verleihung des 24. Annalise-Wagner-Preises!
Die Annalise-Wagner-Stiftung ist in diesem Jahr zu Gast in der Stadt Friedland. Die Veranstaltung findet am 26. Juni 2015 um 18 Uhr im Ratssaal der Stadt Friedland („Altes Gymnasium“, Rudolf-Breitscheid-Straße 5) statt. Der Eintritt ist frei.

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