Annalise-Wagner-Preisträger 2010

Begründung der Jury des Annalise - Wagner - Preises 2010

Einstimmig votierten die Mitglieder der Jury des Annalise-Wagner-Preises 2010

Herr Marko Klappstein            Förderstiftung für Kunst und Wissenschaft Neubrandenburg
Herr Dirk Kollhoff                     Kuratorium der Annalise-Wagner-Stiftung
Frau Gudrun Mohr                   Kuratorium der Annalise-Wagner-Stiftung
Frau Susanne Schulz              Hans-Fallada-Klub Neustrelitz e. V.
Frau Gundula Tschepego        Kuratorium der Annalise-Wagner-Stiftung
Herr Dr. Rolf Voß                     Deutscher Museumsbund e. V.

für die Vergabe des Annalise-Wagner-Preises an Pauline de Bok für ihren Roman „Blankow oder Das Verlangen nach Heimat“.

"Die niederländische Journalistin, Übersetzerin und Autorin Pauline de Bok thematisiert darin den Heimatbegriff durch Geschichten von Menschen, denen das Vorwerk „Blankow“ freiwilliger oder unfreiwilliger Aufenthaltsort war. Die meisten von ihnen fanden an diesem Ort eine Heimat für sich und ihre Familien. Dabei wird ein chronologischer Längsschnitt gezogen, ohne dass es sich um eine historische Abhandlung handelt.

Ort und Personen sind anonymisiert, dennoch ist „Blankow“ erkennbar in der Region Mecklenburg-Strelitz zu verorten. Bezugspunkte wie Neustrelitz und Neubrandenburg sind mit den realen Namen aufgeführt.

Pauline de Bok wählt die Perspektive einer Ich-Erzählerin, die sich in einer Selbstfindungsphase befindet und fern ihrer Heimat einen Ort zum Nachdenken über ihr Leben gesucht hat. Dieser Ort enthält aber so viele Hinterlassenschaften ehemaliger Bewohner, dass sie sich auf die Suche begibt und am Ende auch Antworten für ihr weiteres Leben findet.

In Gesprächen, Archiven und den aufgefundenen Dokumenten entdeckt sie die Geschichte des Ortes und seiner einstigen Bewohner, in der sich auch deutsche Geschichte des 19.  und 20. Jahrhunderts manifestiert. Die Erzählerin entdeckt Erinnerungsbruchstücke und Erinnerungslücken, Legenden und Fakten und deckt mit ihnen die Brüche und Umbrüche ostdeutscher Geschichte auf. Ihr Buch erzählt davon, wie das „Verlangen nach Heimat“ und der Verlust von Heimat und Identität Lebensgeschichten prägt und Geschichte schreibt. Dabei wird auch das Fortgehen der Einheimischen als Tragik des hiesigen Landstrichs über Jahrhunderte hinweg thematisiert.

Die einfühlsam, jedoch unsentimental in eine poetische Sprache gebrachte Spurensuche zieht den Leser in ihren Bann, ohne ihm die Distanz zu nehmen für eigene Assoziationen. Die Erzählinstanz wertet kaum, zumindest nicht vordergründig.

Auf einfühlsame Weise macht dieses Buch regionalgeschichtliche Ereignisse und Prozesse deutlich, indem es die Leser berührt und historischen Prozessen Gesichter gibt.

Sensibel öffnet es mit dem „Blick von außen“ auch die Augen für die Schönheit der mecklenburgischen Landschaft und die Schicksale der Menschen.

Mit dem Selbstfindungsprozess der Ich-Erzählerin ist dieses Buch gleichermaßen Belletristik und regionalgeschichtliche Forschung. Beides steht nicht nebeneinander, sondern bedingt einander."

Neubrandenburg, Mai 2010
Susanne Schulz, Dirk Kollhoff

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